Religion und Informatik – zwei Überraschungen

„Also Religion, da soll nur jemand kommen“, meinte mein neuer Kollege. Es ging beim Mittag um Themen, die im Job nicht angesprochen werden sollten. Das waren eben Religion und Politik.

Ich erkannte sofort ein Exemplar des atheistischen Logikers. Logik und Glauben schliessen sich bei dieser Spezies aus.

Schade, dabei kenne ich zwei religiöse Vorstellungen und Erzählungen, die nur aus informatischer Weltsicht richtig verständlich sind.

Schade, dass das Gespräch darüber eher schwierig ist. Zumal in einem Plenum immer auch das Gesicht verteidigt werden muss. Dann muss ich das wohl beschreiben.

Vishnu träumt Brahma und die Matrix

Für Hindus beginnt unsere Welt mit einem träumenden Vishnu. Durch den Traum entsteht Brahma, der wiederum das Universum erschafft. Allerdings gelingt ihm das erst im zweiten Versuch. Als Vishnu aufwacht, trifft er auf Brahma mit dem Universum. Er schneidet Brahma den Kopf ab und das Universum ist sich selbst überlassen.

Das lässt sich gar nicht leicht deuten. Als Informatiker deute ich die Geschichte so:

Es erzählt von einem Startup für Computerspiele, in dem ein nicht ausgelasteter Programmierer sich mit Weltsimulationen beschäftigt. Der erste Versuch ist nicht stabil. Einige Konstanten waren nicht stimmig. Im zweiten Versuch läuft das Gebilde stabil. Anschließend kommt es zu einem Streit um die Rechte. Der Urheber verlässt den Laden und der Eigentümer hat ein Universum, das stabil läuft. Die simulierten Wesen in diesem Universum bekommen mit, wie der Eigentümer versucht mit zuspielen und erfinden die Legenden von Göttern, die sich das erträumt haben.

Die indische Mythologie aus vorchristlicher Zeit erzählt so etwas!

Im Silicon Valley wird diese Idee aktuell diskutiert. Computerspiele werden immer realistischer, kann in naher Zukunft nicht mehr zwischen Realität und Simulation unterschieden werden. Diese Spiele werden von intelligenten non-player-characteren besiedelt, die selber lernfähig sind. Wer sagt uns, dass wir nicht in einer Simulation leben?

Einer der Philosophen vom MIT empfiehlt, als Menschheit weiterhin interessante Dinge zu tun, damit die Programmierer nicht das Interesse verlieren und den Strom abstellen.

Die Hindus schwören auf andauernde Verehrung ihrer Götter. Das machen sie schon seit mehreren tausend Jahren mit immer denselben Riten.

Hat bisher geklappt, das Universum ist immer noch da.

Adam und Eva und der Suchbaum

Meine andere Geschichte betrifft den Baum im Paradies. Ich dachte immer, das wäre ein Apfelbaum. Überrascht las ich anlässlich des Lutherjahrs vom eigentlichen Namen.

Es war der Baum der Erkenntnis vom Guten und Schlechten.

Dieser Begriff erinnert mich das an die Datenstruktur Suchbaum aus meinem ersten Proseminar 1979. Wir sollten tic-tac-toe programmieren. Da waren die schlechten Züge die, die von guten Zügen des Gegners beantwortet werden konnten. Alle möglichen Züge bildeten die Kanten eines Baums, der nach einem siegreichen Pfad zu durchsuchen war.

Warum nur sollte das alte Testament vor der Anwendung von Intelligenz warnen? Jeder ist doch froh, intelligent zu sein und auch so zu handeln.

Als Anhänger der möglichst freien Marktwirtschaft las ich von den digitalen Kartellen. Diese bilden sich spontan, wenn Preise von moderner business intelligence gesetzt werden. Die Produzenten koordinieren ihre Preise, sodass Oligopole gebildet werden. Dabei sprechen diese sich nicht ab, sie untersuchen nur vernünftig den Markt.

In vorchristlicher Zeit war das bestimmt noch nicht angesagt.

Interessanter finde ich diesen  Dilbert Comic. Hier entwickelt Dilbert Apps in seiner Freizeit, weil ihn das Tagesgeschäft nicht ausfüllt. Seine Freundin hat zwei Lose gekauft und braucht keine App zu entwickeln.

Etwas Neues zu wagen und ein Startup durchzuziehen, ist durchaus keine intelligente Entscheidung. Ein Startup im mobile oder online Bereich hat eine 10 Prozent Chance auf überleben. Wer im Roulette in vier Zahlen investiert, hat tatsächlich größere Chancen.

Ohne Startups gibt es keine Innovationen. Ohne Innovationen ist alles langweilig. Zum einen für die, die so leben, und auch für die, die dabei zusehen. Das wäre wirklich nicht paradiesisch.

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